Holzminden (red). Die Ökologische Station Solling-Vogler (ÖSSV), getragen vom Naturpark Solling-Vogler, hat in der vergangenen Woche ihrem Fachbeirat die Arbeit und Ergebnisse des vergangenen Jahres vorgestellt. Der Fachbeirat setzt sich aus Vertreterinnen und Vertretern der Land- und Forstwirtschaft, der Naturschutzbehörden und -verbände, der Wissenschaft, des Tourismus sowie der Heimatpflege zusammen.
Ein Schwerpunkt der Arbeit lag auf der Erhaltung und Entwicklung artenreichen Grünlands. Dabei wurden Pflanzen, Tiere und Lebensgemeinschaften erfasst und Empfehlungen für eine naturschutzgerechte Nutzung entwickelt. Besonders erfreulich war die Wiederentdeckung zweier Arten, die als verschollen galten: der Wendehals, eine Spechtart und der Abbiss-Pippau, ein seltener Korbblütler.
Der Wendehals wurde auf den Streuobstwiesen in der „Rühler Schweiz“ nachgewiesen – ein bemerkenswerter Fund, da die Art im Landkreis Holzminden lange Zeit als verschwunden galt. Der gefährdete Spechtvogel findet dort heute wieder geeignete Lebensbedingungen: alte Kirschbäume mit natürlichen Höhlen, artenreiches Grünland mit extensiver Rinderbeweidung, offenen Bodenstellen und Dunghaufen – ein ideales Umfeld für Ameisen, der Hauptnahrung des Wendehalses. Diese leben in Hügeln unter der Grasnarbe, insbesondere dort, wo keine mechanischen Bearbeitungen wie Striegeln oder Walzen stattfinden.
Auch der Abbiss-Pippau (Crepis praemorsa) konnte nach fast 15 Jahren ohne Nachweis wiedergefunden werden – auf den Holzbergwiesen. Die Pflanze gehört zu den seltensten Arten des Magerrasens. Sie ist zweijährig, ausgesprochen konkurrenzschwach und verschwindet rasch, wenn der Standort zu dicht bewachsen ist. Typisch sind ihre grundständige Blattrosette mit ganzrandigen Blättern, der kahle Blütenstängel sowie die hellgelbe Färbung der Blüten – Merkmale, die sie von häufigeren Korbblütlern unterscheiden. In ihrem Lebensraum wächst in der Regel keine weitere Art dieser Gruppe.
Der Bestand am Fundort umfasst aktuell nur bis zu fünf Exemplare. Ziel der Station ist es, die Art durch geeignete Maßnahmen vor dem erneuten Verschwinden zu bewahren. Dazu zählen eine angepasste Beweidung zur Erhaltung lückiger Vegetationsstrukturen und ein Einzelschutz der Pflanzen vor Fraß, damit sie ungestört zur Samenreife gelangen können.
Auch die Naturschutzberatung war ein zentrales Tätigkeitsfeld der Station. So wurden 77 landwirtschaftliche Betriebe zu Agrarumweltmaßnahmen beraten, darunter 15 neue Betriebe. Zudem fanden drei Gruppenqualifizierungen statt – im FFH-Gebiet Ilme (gemeinsam mit der Landberatung Northeim), im NSG Hellental und im NSG Ithwiesen. Dabei wurde insbesondere die Kennartenbestimmung für die Förderung artenreichen Grünlands praxisnah vermittelt.
Die Nachfrage nach Vertragsbegleitung ist weiterhin hoch. Das Agrar-Fördersystem ist komplex – vor allem im Zusammenspiel mit Schutzgebieten, Förderkulissen, geschützten Biotopen und unterschiedlichen behördlichen Zuständigkeiten. Die ÖSSV sieht ihre Rolle darin, Landwirte und Landwirtinnen verlässlich und praxisnah durch diesen Dschungel zu begleiten.
Foto: Ansgar Hoppe