Holzen (ant). Gestern, 5. April, jährte sich der Jahrestag des Todesmarsches von Halmen nach Holzen bereits zum 80. Mal: Mehr als 25 Teilnehmer und Teilnehmerinnen haben am Samstagmittag an der Gedenkexkursion in Holzen teilgenommen und eine Reise in die Vergangenheit unternommen – zurück ins Jahr 1945, als am 5. April mehr als 400 Menschen den Marsch vom Zuchthaus Hameln ins Außenlager nach Holzen auf sich nahmen und viele dabei ihr Leben verloren.
„Heute vor genau 80 Jahren hatte dieser Tag extreme und dramatische Folgen für viele Menschen“, begann Exkursionsleiterin Jutta Henze ihren Vortrag. Begonnen mit einer einstündigen Einführung in die Geschichte im Dorfgemeinschaftshaus in Holzen, führte der Weg die Exkursionsteilnehmer anschließend nach Dohnsen, Halle sowie Dielmissen und anschließend wieder zurück nach Holzen. Dort wurde abschließend das ehemalige Außenlager besichtigt. Unter der Führung von Henze sowie Marc Sprödefeld, erhielten die Teilnehmer detaillierte Informationen und einen ganz genauen Einblick unter welchen unmenschlichen Bedingungen die Menschen damals den Todesmarsch auf sich nahmen.
Das Zuchthaus Hameln
Bereits im Jahr 1698 gab es eine Vorgängereinrichtung der Strafanstalt. Das Gefängnis bestand von 1827 bis 1980. Damals noch ein sogenanntes „Karrengefägnis“ wurden die Häftlinge als „Arbeitskräftereservoire“ für die große Hamelner Festung genutzt. Als es im Jahr 1820 zu einer Reform der Strafanstalten kam, wurde in diesem Zuge der Bau des neuen „Stockhof“ vorgenommen, welcher 85 Einzelzellen beinhaltete, mit einer Größe von nur rund zwei Quadratmetern. „Dieses Gefängnis ist später sehr wichtig für die Nazis gewesen“, betonte Henze. Denn seit dem Jahr 1933 wurden neben den rund 500 kriminellen Häftlingen auch hunderte politische Gefangene inhaftiert: „Dazu zählten vorwiegend Kommunisten, Sozialdemokraten, sowie Homosexuelle und Juden“, erklärte die Exkursionsleiterin. „Das Gefängnis liegt an der B1 – damals schon wichtigster Handelsweg durch ganz Norddeutschland“, erklärte Henze.
Nur wenige Jahre später, im Jahr 1935, wurden die Außenmauern des Gefängnisses erhöht und die Anstalt in ein Zuchthaus umgewandelt. Am 15. Juni 1944 wird das Gefängnis zum „Rüstungsbetrieb“ erklärt. Nur kurze Zeit später, im August 1944 wird im Hils, nordöstlich von Holzen, das Außenlager Holzen - ein Außenlager des Zuchthauses Hameln - gebaut. Die Zuchthausarbeit war Schwerstarbeit, viele Gefangene wurden unter Tage als Arbeitskräfte eingesetzt, weiß Henze: „Das war eine Knochenarbeit, es gab keine Hilfsgeräte, dabei sind auch Häftlinge gestorben – nur 800 Kalorien haben die Gefangenen am Tag bekommen“, erklärte die Exkursionsleiterin.
Im Jahr 1945 sind mehr als 1350 Insassen im Zuchthaus in Hameln zu verzeichnen. Ursprünglich betrug die Kapazität des Gefängnisses nur 400 bis maximal 500 Personen. Bis zu zehn Personen wurden in die kleinen Einzelzellen gepfercht. Mehr als 10.000 Häftlinge seien in der NZ-Zeit in dem Hamelner Zuchthaus inhaftiert gewesen und etwa 305 Häftlinge gestorben.
Der Todesmarsch von Hameln nach Holzen
Häftlinge, die ihre Strafe bereits im Zuchthaus abgesessen hatten, wurden an die Gestapo übergeben und von dieser in Konzentrations- und Arbeitslager gebracht. Am 5. April wird die Räumung des Hamelner Zuchthauses befohlen, etwa 400 Gefangene, werden auf dem Todesmarsch in das Außenlager Holzen gebracht. Kurz zuvor wurden die Weserbrücken gesprengt - Grund dafür war, dass die US-Truppen bereits vor den Toren Hamelns angekommen waren. Die 400 Häftlinge marschierten durch das bombardierte Hameln, entlang des Bahngleises an der B1. „Wer auf dem Todesmarsch nicht mehr mitkam und liegengeblieben ist, wurde erschossen“, erzählte Henze. Die Häftlinge, überwiegend aus Frankreich und den Benelux-Staaten, wurden unter unmenschlichen Bedingungen durch die Region getrieben.
Befreiung durch amerikanische Truppen am 7. April
Einer der wenigen Überlebenden, der Niederländer Derk Heero Schortinghuis berichtete eindrücklich über den Todesmarsch und die unmenschlichen Umstände: Er war ein Teilnehmer der „Dienst-Wim“, einer nationalen Widerstandsorganisation und wurde im Jahr 1944 zum Tode verurteilt. Er berichtete, dass die Häftlinge nur mit einer Decke als Umhang sowie einer sich darunter befundenen Essenspfanne ausgestattet und oftmals schlechten Schuhwerk, losmarschierten. Am 6. April erreichten die letzten Gefangenen Holzen, einen Tag später. Am 7. April, wurden sie von amerikanischen Truppen befreit.
Der 40 Kilometer lange Marsch fingt in Hameln an und führte von dort aus über Afferde, Bisperode, Harderode, Dohnsen, Halle, Hunzen, Dielmissen, Lüerdissen, Scharfoldendorf, Holzen und anschließend ins Außenlager. Der lange Marsch forderte viele Opfer: Mindestens acht Menschen verloren auf dem Marsch ihr Leben – die tatsächliche Zahl der Opfer ist bis heute nicht bekannt.
Fotos: Antonella Mollowitz / Jutta Henze